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Der Bau des Tunnels unter der Spree für die Berliner Untergrundbahn.



Im Innern von Berlin wächst der Verkehr von Jahr zu Jahr in einem Maße, daß die Straßen bald nicht mehr im Stande sein werden, ihn zu bewältigen. Außerdem erheischt die räumliche Ausdehnung des Stadtgebietes die Förderung eines Schnellverkehrs, dem durch die Benutzung der Straßen nicht genügt werden kann, weil auf ihnen der Fahrgeschwindigkeit zu enge Grenzen gezogen sind. Diesen Schnellverkehr hat nun in westöstlicher Richtung die Berliner Stadtbahn übernommen, die aber mit Einführung des Dreiminutenverkehrs fast an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angelangt ist. In der Richtung Nord-Süd dagegen ist überhaupt kein das Herz der Stadt durchschneidendes Schnellverkehrsmittel vorhanden. Schon 1891 reichte deswegen die Allgemeine Elektricitätsgesellschaft in Berlin den Behörden einen von Baudirektor Mackensen ausgearbeiteten Plan einer Untergrund- oder Tiefbahn ein. Gerade in Berlin stellen sich der Anwendung dieses Systems besonders große Schwierigkeiten entgegen, weil dort der Boden fast ausschließlich und bis in große Tiefen aus stark wasserführendem Sand und aus Moor besteht. Die Behörden glaubten daher die gewünschte Konzession erst erteilen zu können, nachdem der Beweis der Ausführbarkeit eines Tunnels im schwimmenden Sand erbracht sein würde. Dieser Beweis ist nunmehr geliefert, denn der Tunnel, für dessen Ausführung die Stadt Berlin an der Ostgrenze des alten Gewerbeausstellungsplatzes der Gesellschaft für den Bau von Untergrundbahnen einen Bauplatz unter der Spree hindurch überlassen hatte, ist glücklich vollendet. Der Tunnel, dessen Linie auf Skizze 5 durch punktierte Linien angedeutet wird, nimmt in Treptow seinen Ausgang, ist unter der Spree hindurch auf das Stralauer Ufer gebracht und besitzt eine Gesamtlänge von 453 Meter, wovon etwa 200 Meter unter Wasser. Von den Mundlöchern in Treptow und Stralau (Skizze 4) geht der Tunnel mit einer Steigung von 1:20 abwärts, verläuft unter dem Flusse selbst aber flacher (1:600); seine Sohle liegt bei 10,7 Meter unter dem mittleren Wasserspiegel, so daß bei dem Durchmesser des kreisrunden Tunnels von 4,50 Meter er noch eine genügend starke Erddecke über sich hat, bevor das Wasser beginnt. Der Boden des Spreebettes besteht aus stark wasserhaltigem Diluvialsand. Um durch diesen einen Tunnel von der Größe hindurchzutreiben,daß er zur Aufnahme einer elektrischen Bahn Raum gewährt, war die Anwendung von Preßluft nötig, und die übrigen Skizzen unseres Bildes veranschaulichen die äußerst interessante Art der Bauausführung. Der ganze Tunnel besteht aus einer eisernen, aus einzelnen Ringen zusammengesetzten Röhre, die außen und innen mit einer Zementschicht verkleidet ist. Der Anfang des Tunnels auf den beiden Uferseiten wurde von oben ausgehoben, und die Eisenringe mit den sie verbindenden Platten eingebaut. Stieg man während des Baues in den elektrisch erleuchteten Tunnel hinab, so kam man zunächst an eine eiserne Querwand mit zwei durch je eine deckelartige Thür und Schrauben luftdichtverschließbaren Oeffnungen. Das waren die Eingänge zu den Luftschleusen, hinter denen die Tunnelstrecke lag, an der unter einer Atmosphäre Ueberdruck gearbeitet wurde. Die Schleusen dienten dazu, den Uebergang in den höhreren Luftdruck zu ermöglichen. Beim Einschleusen krochen die Ingenieure und Arbeiter unter gewöhnlichem Luftdruck in die Schleusenkammer (Skizze 1); die Eingangsöffnung wurde wieder luftdicht verschlossen, dann drinnen ein Hahn geöffnet, worauf die Preßluft zischend einströmte. Binnen etwa zehn Minuten war der Ausgleich herbeigeführt; in der Schleuse herrschte derselbe Luftdruck wie im Arbeitsraum, und die dorthin führende Thür ließ sich öffnen. Vor Ort an der Spitze des Tunnels fand nun die eigentliche "Buddelei" statt. Ueber das Ende der fertigen Strecke griff teleskopartig ein längeres Rohr über, der hydraulisch betriebene Brustschild, von Oberingenieur W. Lauter und Eisenbahndirektor F. Mackensen erfunden. Er schloß die fertige Strecke gegen das Einbrechen von Wasser- und Schlammmassen ab und bildete zugleich den beweglichen Teil des Vortriebes. Durch eine Querwand wurde der Schild in zwei Kammern zerlegt; in der hinteren fand der Einbau der Tunnelringe aus Flußeisen statt, in der vorderen die Förderung des Bodens. Vorn wurde der Brustschild durch eine schräge Wand abgeschlossen, in der sich Klappen befanden, durch welche die Erde herausgeholt wurde (Skizze 3). Der auf die Erdschichten einwirkende hohe Luftdruck blies alles Wasser aus ihnen heraus, so daß das in die Kammer geschaffte Erdreich verhältnismäßig trocken war. Die unten befindlichen Klappen leiteten das Wasser in ein Röhrensystem, welches aus das von den schwitzenden Tunnelwänden herabkommende Wasser aufnahm. Durch Dampfkraft wurde es nach dem Tunnelausgang und von dort in die Spree gepumpt. Der Erdmassen beförderte eine auf der Tunnelsohle vorläufig eingerichtete Feldbahn nach außen. In der abschließenden Schildplatte befanden sich außerdem noch mehrere durch Luftdruck getriebene Bohrer und Meißel zum Zertrümmern von größeren Steinen und Baumstämmen, die dann durch Pulversprengungen noch vollends zumbequemeren Fortschaffen zerkleinert wurden. Die zum Betriebe des Tunnelbaues erforderliche Kraft wurde in einem bei dem Mundloch errichteten Maschinenhause erzeugt. Der Weiterbau ging nun in der Weise vor sich, daß an den zuletzt eingebauten Eisenring durch Preßluft getriebene Winden im ganzen Tunneloval angesetzt und gleichzeitig angetrieben wurden. So schob man den nächsten Ring an seine Stelle vor. Noch während die Winden standen, wurden vertikale Eisenplatten zwischen den Ringen eingebaut, die ein Zurückweichen des vorderen Ringes verhindern. Auch horizontal bekleidete man die Tunnelwand mit eisernen Platten (Skizze 2), durch deren zuschraubbare Oeffnungen eine flüssige Zementmasse gegossen wurde, die den Raum zwischen Röhre und Erdreich ausfüllte und binnen kurzer Zeit steinhart wurde. Telephon- und Telegraphenleitungen durchzogen den Tunnel, die Arbeitsstätte, Bauleitung und Maschinenraum verbandenund nach der nunmehrigen Fertigstellung des Tunnels auch von Ufer zu Ufer gehen. Skizze 6 endlich veranschaulicht das Montieren des 28 Meter langen Tunnelabschlußrohres in Treptow. Hier erreicht die Tunnelsohle dicht an der Treptower Chaussee das Straßenniveau; eine 40 Meter lange gemauerte Rampe wurde dort hergestellt, und der Tunneleingangdurch ein Thor verschlossen; entsprechende Einrichtungen befinden sich auch auf der Stralauer Seite. Der Bau dieses Tunnels ist mit dern von Anfang an geplanten Mitteln und Werkzeugen ausgeführt worden. Es haben sich, abgesehen von kleinen Zwischenfällen bei Beginn des Baues, die unvermeidlich bei neuen Apparaten und bei der mangelnden Uebung der Arbeiter, größere Störungen oder Unglücksfälle nicht ereignet. Ermutigt durch diesen Erfolg hat die Gesellschaft einen Entwurf für die Erbauung einer Untergrundbahn durch Berlin in südnördlicher Richtung ausgearbeitet und den Behörden zur endgültigen Konzessionserteilung eingereicht.

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