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historische Dokumente, Strecke D



DIE IV. TEILSTRECKE DER GN BAHN
BODDINSTRASSE—LEINESTRASSE
UND DER NEUE
HOCHBAHNHOF KOTTBUSSER TOR



Zur Eröffnung
der IV. Teilstrecke der GN-Bahn
Boddinstraße—Leinestraße
und des Hochbahnhofs
Kottbusser Tor



am

4. August 1929




Allgemeines über die GN-Bahn.

Der Gedanke einer Schnellbahn vom Gesundbrunnen über den Alexanderplatz nach Neukölln wurde schon vor mehr als 20 Jahren behandelt. Die Continentale Gesellschaft für elektrische Unternehmungen wollte damals in diesem Straßenzuge eine Schwebebahn bauen. Es waren städtebauliche Bedenken, die den Plan zum scheitern brachten. Hingegen fand der Plan der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft, in diesem wichtigen Verkehrszuge eine Untergrundbahn zu bauen, die städtische Zustimmung. Die Gesellschaft erhielt im Jahre 1912 die behördliche Konzession, die mit einigen, allerdings nicht unwesentlichen Abweichungen die Grundlage der noch im Bau befindlichen Ausführungen bildet.


Abb. 1. LAGEPLAN DES PLATZESS AM KOTTBUSSER TOR MIT DEM ALTEN HOCHBAHNVIADUKT.


Abb. 2. ALTER HOCHBAHNHOF KOTTBUSSER TOR.

Die Schnellbahn vom Gesundbrunnen nach Neukölln, kurz GN-Bahn genannt, wurde von der zur Durchführung des Unternehmens begründeten AEG-Schnellbahn A. G. im Jahre 1913 in Angriff genommen. Infolge des Krieges und semer Nachwirkungen mußte der Bau im Jahre 1919 eingestellt werden. Verhandlungen zwischen der Stadt Berlin und der Gesellschaft führten dazu, daß erstere die zum Teil fertiggestellten, zum Teil angefangenen Tunnelbauten und Anlagen übernahm und die jetzt zum Konzern der Berliner Verkehrs-A. G. gehörende Berliner Nordsüdbahn A. G. mit der Vollendung der Bahn betraute. Im Jahre 1926 wurde hiermit begonnen. Die Einbeziehung des Moritzplatzes, die Verlegung der Bahntrace aus der Neuen Friedrichstraße in die Dircksenstraße, also näher zum Alexanderplatz, und im Zusammenhang damit die Verlegung der Spreekreuzung an die Jannowitzbrücke, sind Änderungen, welche die Bahn wichtigsten Verkehrszentren näherbrachte. Der von der AEG-Schnellbahn A. G. bereits ausgeführte Spreetunnel und die Bahnstrecke in der Neuen Friedrichstraße behalten insofern ihren Wert, als sie zu der für Betriebszwecke notwendigen Verbindung mit der Frankfurter Allee-Linie benutzt werden, so daß dann beide Linien von nur einem Betriebs- und Werkstättenbahnhof aus bedient werden können. Nunmehr wird die Bahn vom Bahnhof Gesundbrunnen aus folgende Straßen durchziehen: Brunnenstraße, Rosenthaler Straße, Münzstraße, Dircksenstraße (Alexanderplatz), Alexanderstraße, Brückenstraße, Neanderstraße, Moritzplatz, Ritterstraße, Kottbusser Straße und Damm, Hermannplatz und Hermannstraße. Sie erhält folgende 15 Bahnhöfe:

 BahnhöfeEntfernung von
Mitte zu Mitte
Bhf.
1.Gesundbrunnen 
2.Voltastraße825 m
3.Bernauer Straße590 ,,
4.Rosenthaler Platz825 ,,
5.Weinmeisterstraße635 ,,
6.Alexanderplatz750 ,,
7.Jannowitzbrücke735 ,,
8.Neanderstraße625 ,,
9.Moritzplatz799 ,,
10.Kottbusser Tor864 ,,
11.Schönleinstraße667 ,,
12.Hermannplatz839 ,,
13.Boddinstraße706 ,,
14.Leinestraße775 ,,
15.Hermannstraße (Südring)680 ,,
 Durchschnittlicher Bahnhofsabstand737 m

Verbindungen mit dem bestehenden Schnellbahnnetz sind vorhanden an den Bahnhöfen Hermannplatz, Kottbusser Tor und Alexanderplatz; Verbindungen mit der Stadt- und Ringbahn an den Bahnhöfen Gesundbrunnen, Alexanderplatz, Jannowitzbrücke und Hermannstraße (Südring).

Die Gesamtlänge der Bahn zwischen den vorläufigen Endbahnhöfen Gesundbrunnen und Hermannstraße (Südring) beträgt rd. 11,0 km.


Abb. 3. NORMALER QUERSCHNITT FÜR DEN TUNNEL ÜBER DEM GRUNDWASSER.

Nach Norden ist die Fortsetzung durch Bad-, Schweden- und Residenzstraße bis zum Bahnhof Reiniokendorf-Rosenthal in Aussicht genommen. Durch diese 4,5 km lange Strecke würde die Reinickendorf-Liebenwalder Bahn an das Schnellbahnnetz angeschlossen werden. Im Süden ist eine rd. 3,5 km lange Verlängerung über Britz und Rudow zur Neukölln-Mittenwalder Bahn geplant. Diese Verlängerung eröffnet die Möglichkeit, die Untergrundbahnzüge auf dem Bahnkörper der Mittenwalder Bahn nach Süden weiterzuführen. Durch den Anschluß dieser Kleinbahnen würde das Zuflußgebiet der Schnellbahn erweitert werden.

Für die Stromversorgung der GN-Bahn sind drei Umformerwerke Hermannplatz, Alexanderplatz und Pankstraße errichtet worden, in denen 17 Großgleichrichter von zusammen 17 500 kW aufgestellt werden. Die Umformerwerke werden von der Bewag (Berliner Städtische Elektrizitätswerke A. G.) mit Strom von 6000 V 50 Hertz versorgt, der für den Betrieb in Gleichstrom von 780 V umgewandelt wird. Das Umformerwerk Hermannplatz ist bereits in Betrieb.

Schon die AEG-Schnellbahn A. G. hatte die Betriebseinrichtungen der Bahn, die auf ihrer ganzen Länge dicht bevölkerte und verkehrsreiche Gebiete durchzieht, für Massenverkehr vorgesehen und die Bahnsteige mit einer Länge von 130 m angelegt. Für Züge aus 6 Wagen zu 18 m Länge, dem neuesten Schnellbahnwagentyp der Berliner Verkehrs-A. G., ist eine Länge von 120 m ausreichend.


Von der GN-Bahn sind bisher folgende Strecken in Betrieb genommen worden:

 am  BahnhöfeLänge
1.17. Juli 1927Boddinstr.—Schönleinstr. 32,0 km
2.12. Febr. 1928Schönleinstr.—Kottbusser Tor 10,7  ,,
3.6. April 1928Kottbusser Tor—Neanderstr. 21,6  ,,
   zusammen6 Bahnhöfe4,3 km




Die neue Teilstrecke.

Am 4. August 1929 soll nun weiterhin die Teilstrecke Boddinstraße—Leinestraße dem Verkehr übergeben werden. Es wird dann von der GN-Bahn eine rd. 5 km lange Strecke mit 6 Bahnhofsabschnitten in Betrieb sein. Die neue Strecke ist 0,7 km lang und schließt sich südlich an den in Betrieb befindlichen Bahnhof Boddinstraße an.


Abb. 4. QUERSCHNITT DURCH DEN BAHNHOF LEINESTRASSE.

Der Bau des Bahnkörpers dieser Teilstrecke wurde im September 1927 begonnen. Die Tunnelbauund Gleisbauarbeiten sowie die elektrische Ausrüstung wurden von der Nordsüdbahn-Aktiengesellschaft in eigener Regie ausgeführt. Die Betriebsausrüstung wurde von den Siemens-Schuckertwerken geliefert.

Der Bahnhof Leinestraße ist ein normaler Durchgangsbahnhof. Der Bahnsteig ist 8 m breit. Die Wandflächen der Bahnhofshalle und Vorräume, die Pfeiler und Diensthäuschen auf dem Bahnsteig sind mit farbigen Fliesen verkleidet. Zur schnellen Abfertigung der Fahrgäste sind selbsttätige Fahrkartengeber aufgestellt.




Der neue Hochbahnhof Kottbusser Tor.

Die Kreuzung der GN-Bahn mit der alten Hochbahn erfolgt, wie bereits erwähnt, auf dem Platz am Kottbusser Tor. Während nun der alte Hochbahnhof sich östlich vom Platze befand, schwenkt die neue Untergrundbahn aus der Kottbusser Straße in die Reichenberger Straße ein, kreuzt also den Platz auf seiner Westseite. Im Interesse des zu erwartenden starken Umsteigeverkehrs war deshalb die Verschiebung des Hochbahnhofs nach Westen um rd. 100 m angezeigt. Dies machte einen Neubau erforderlich, der auch im Hinblick auf die für den Umsteigeverkehr völlig unzureichenden Abmessungen des alten Bahnhofs ohnehin unvermeidlich war. Der neue Bahnhof hat einen Mittelbahnsteig von 110 m Länge und 11 m Breite.


Abb. 5. SCHNITT DURCH DEN BAHNHOF KOTTBUSSER TOR.

Da ferner die Gestaltung des Platzes, auf den 8 Straßenzüge münden, dem Oberflächenverkehr und seiner ferneren Entwicklung durchaus nicht mehr gewachsen war, entschloß sich die Stadt, gelegentlich des Untergrundbahnbaues und des Umbaues der Hochbahn auch eine durchgreifende Veränderung und Erweiterung des Platzes durchzuführen. Dieser Umgestaltung mußte sich der Plan für den neuen Hochbahnhof einfügen. Die Folge davon war; daß unter dem eigentlichen Bahnhofsbau mit Spannweiten bis 52,50 m gerechnet werden mußte, d. h. Spannweiten, die für eine verhältnismäßig tief über der Straßenfläche liegende Hochbahn ungewöhnlich sind. Um die Abmessungen des Haupttragwerks möglichst zu verringern, wurde hochwertiger Silizium-Stahl verwandt mit einer Streckgrenze von 3,6 t/qcm und einer Bruchgrenze von 5,2 t/qcm (gegenüber mittleren Werten von 2,40 t/qcm bzw. 4,1 t/qcm bei Flußstahl (St 37). Die trotzdem erheblichen Höhen der Hauptträger von 3,0 zwischen den Stützen und 4,20 m über der Mittelstütze bleiben unauffällig, weil sie in die Wände der Bahnhofshalle einbezogen werden konnten.


Abb. 6. HILFSVIADUKTE BEIDERSEITS DER HOCHBAHN AM KOTTBUSSER TOR.


Abb. 7. HILFSBRÜCKE AM KOTTBUSSER TOR ZUR AUFNAHME DER HOCHBAHN
ÜBER DEM UNTERGRUNDBAHNTUNNEL.


Abb. 8. HILFSVIADUKTE AM KOTTBUSSER TOR UND ABBRUCH DER ALTEN HOCHBAHN.


Abb. 9. MONTAGE DES NEUEN HOCHBAHNHOFES UND DES TURMDREHKRAN.


Abb. 10. LAGEPLAN DES PLATZES AM KOTTBUSSER TOR NACH DER GEPLANTEN UMGESTALTUNG.


Abb. 11. NEUER HOCHBAHNHOF KOTTBUSSER TOR UND HILFSVIADUKTE.

Der Umbau der Hochbahn erstreckt sich auf eine Länge von rd. 450 m, von der mit Inbetriebnahme des neuen Hochbahnhofes etwa 180 m umgebaut sind. Der Fertigstellung dieses neuen Bahnhofs wird der Abbruch des alten Bahnhof es und der beiderseitigen Anschlußstrecken und der Neubau derselben folgen. Dieser Umbau gibt Gelegenheit, im Anschluß an die Ostseite des neuen Hochbahnhofs ein Kehr- bzw. Aufstellungsgleis einzubauen.


Abb. 12. BAHNHOF KOTTBUSSER TOR: BAHNSTEIGHALLE.


Abb. 13. BAHNHOF KOTTBUSSER TOR: VERBINDUNGSTREPPE ZWISCHEN HOCHBAHN UND U-BAHN.


Abb. 14. EINGANG ZUM UNTERGRUNDBAHN-
HOF KOTTBUSSER TOR

Der Neubau des Hochbahnhofs war unter Aufrechterhaltung des Betriebes der Hochbahn und unter möglichster Schonung des Straßenoberflächen­verkehrs durchzuführen. Zwei Straßenbahnlinien konnten verlegt werden, die übrigen Linien mußten aber auch während des Baues über den Platz geführt werden; auch die Omnibuslinien wurden nicht verlegt. Der Hochbahnverkehr wurde auf zu beiden Seiten der Umbaustrecke errichtete Hilfsviadukte geleitet, so daß auf dem frei gewordenen Zwischenraum der neue Bahnhof hergestellt werden konnte. Die anschließende Viaduktstrecke wird in ähnlicher Weise umgebaut werden. Den Bahnhof hat die Gutehoffnungshütte nach den Plänen der Berliner Nordsüdbahn Aktien­gesellschaft erbaut. Die Anschlußstrecke wird von der Firma Steffens & Nölle erstellt. Die Größe und Schwere der bis 15 t wiegenden Transportstücke machte es erforderlich, daß ab Werkstatt der Gutehoffnungshütte der Wasserweg über die Nordsee gewählt werden mußte, mit Umladungen in Rotterdam und Stettin, von Stettin der Wasserweg nach Berlin-Osthafen. Auch die Anfuhr und der Aufbau erforderten außergewöhnliche Vorkehrungen, die es ermöglichten, daß die schweren Konstruktionsteile mit der notwendigen Sicherheit gehoben und ohne erheblichen Zeitaufwand nach allen Richtungen bewegt werden konnten. Dies wurde mit einem etwa 20 m hohen, auf Schienen fahrbaren Turmdrehkran bewirkt. Mit seiner Hilfe gelang es, die etwa 1700 t schwere Stahlkonstruktion des neuen Hochbahnhofs in der verhältnismäßig kurzen Zeit Juli 1928 bis März 1929 aufzubauen.


Abb. 15. FAHRTREPPEN IM BAHNHOF KOTTBUSSER TOR.

Der neue Hochbahnhof hat einen Mittelbahnsteig und an beiden Enden Zugänge von der Straße. In der Mitte des Bahnsteiges ist eine doppelte Fahrtreppe angeordnet, die in einen unmittelbar unter dem Straßenniveau liegenden Vorraum einmündet, von dem aus Treppen zum Untergrundbahnhof führen. Der Höhenunterschied vom Vorraum bis zum Hochbahnsteig beträgt rd. 10,6 m. Von allen wichtigen Punkten des Platzes führen Treppen und Gänge ebenfalls zu diesem Vorraum, in dem die selbsttätigen Fahrkartengeber aufgestellt sind. So trägt die Anordnung sowohl dem lokalen Verkehr zu den Bahnsteigen als auch dem Umsteigeverkehr zwischen Hochbahn und Untergrundbahn weitgehend Rechnung.

Mit der architektonischen Durchbildung des Hochbahnhofs Kottbusser Tor und des Untergrundbahnhofs Leinestraße war Herr Professor Grenander betraut.



Abb. 16. GRUNDRISZ EINES LANGWAGENS DER GN-BAHN.






Weiterführung der G-N-Bahn vom Bhf. Boddinstraße bis zum Bhf. Leinestraße; Längsschnitt und Lageplan


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