Künstlerlandhaus mit Maleratelier Kruse auf der Insel Hiddensee bei Rügen
Zentralblatt der Bauverwaltung, 23. Jahrgang, Nr. 45 (6. Juni 1903), S. 279-280
Um einen geeigneten Entwurf für den Neubau eines Künstlerheims mit Atelier zu erhalten, hatte der Maler Oskar Kruse-Lietzenburg einen Wettbewerb unter einer beschränkten Zahl von Architekten ausgeschrieben. Der etwa 10 Morgen große Bauplatz liegt in einem welligen Gelände auf einem 23 m hohen, gegen die Umgebung um 6 m höheren Hügel, der eine vollständige Rundsicht ermöglicht, das sichtbare Tafelgelände ist vollständig unbebaut und unbestanden; den Abschluß nach Westen bildet ein steiler Abhang nach der Ostsee, nach Norden ein schwach bewaldetes Hügelland, nach Osten das Dorf und ein großer Binnensee nach Süden, die idyllischste und schönste Aussicht darbietend, die von der Ostsee und dem Binnensee begrenzte Landzunge der Insel. Das Haus sollte daher auf dem südlichen und westlichen Abhange des Hügels errichtet werden und nach dieser Seite hin, allmählich nach unten sich abstufend, reichlich Sitzplätze und Terrassen erhalten, doch war dabei ein Haupterfordernis, daß diese viele geschützte Ecken haben mußten, um Schutz gegen die an der See hier vorherrschenden West- und Südwinde zu bieten. Es wurde für die Ansichten von diesen Seiten eine romantisch-malerische Wirkung gewünscht. Ohne Aufwendung von Prunk sollten sich die Ansichten mit Anlehnung an mittelalterliche niederdeutsche Profanbauten (Stralsund) der einfachen Landschaft anpassen. Für den Bau stehen Granitfindlinge und Ziegelsteine, für die Dachdeckung einfache rote Biberschwänze oder Pfannen zur Verfügung
Der Eingang konnte auf der Süd- oder Westseite angelegt werden. An Räumen wurden verlangt: ein etwa 45 qm großes, rd. 4,5 m hohes nach Norden gelegenes Atelier mit anschließendem nach Süden oder Westen liegenden etwa 30 qm großen Wohnzimmer, das nur ein breites niedriges Fenster erhalten sollte, eine 12 qm große Küche mit Speisekammer und Abort. in demselben Stockwerk oder in einem anderen darüber oder darunter gelegenen, gegebenenfalls auch im ausgebauten Dachgeschoß: drei Schlafzimmer, Badestube, Mädchengelaß und, wenn tunlich, eine kleine Küche. Vor dem Atelier war nach Westen eine Glasveranda anzuordnen, neben dem Wohnzimmer eine nach Süden gelegene Loggia mit davor liegendem offenen Balkon oder Terasse. Die Abmessungen der letzteren sollten reichlich gewählt werden.
Südseite. |
Ostseite. |
Der mit dem ersten Preise ausgezeichnete, von den Architekten Spalding u. Grenander in Berlin herrührende, in den Abbildungen dargestellte Entwurf wird den mannigfachen Forderungen dieses Ausschreibens in vorzüglicher Weise gerecht. Es ist den beiden Künstlern, denen schon so manches reizvolle Landhaus zu verdanken ist, auch hier gelungen, ein Werk zu schaffen, das sich in charaktervoller, eigenartiger Weise in die Landschaft einfügt, dabei alle Forderungen an ein behagliches wohnliches Heim erfüllt und vor allem auch für die erforderlichen Sitzplätze eine glückliche Lösung bietet, die nicht nur den Anforderungen in bezug auf Windschutz entspricht, sondern auch als Mittel zur Bildung einer malerisch wirkenden Gebäudegruppe benutzt ist. Die Grundrißlage im einzelnen geht aus den letzten beiden Abbildungen hervor. Der Haupteingang ist auf der Südseite angenommen, er führt über eine untere, gegen die Winde sehr geschickt angelegte Terrasse nach der geräumigen Diele. Rechts von ihr liegen die Küche mit Speisekammer und Abort, die mit einem kleinen Wirtschaftshof in zweckmäßiger Weise verbunden sind. Eine kleine Luftschleuse verhindert durch doppelten Türabschluß, daß die Küchengerüche nach der Diele eindringen können. Links von der Diele liegen Atelier und Wohnzimmer, beide in bequemer Verbindung mit der Halle und oberen Terrasse.
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Die zum Obergeschoß führende Treppe ist als architektonischer Abschluß der Diele und des Oberflurs benutzt und vermittelt ohne Zwang den Höhenunterschied, der sich durch die größere Höhe des Ateliers ergibt. Die Lage der Nebenräume ist auch hier zweckentsprechend, die reichlich vorgesehenen Wandschränke sind in einer für die Benutzung recht brauchbaren Weise angeordnet.
Die Architektur ist ganz einfach gehalten, alle überflüssigen Zierraten sind vermieden, trotzdem bietet sie durch die sich aus der Grundrißlösung zwanglos ergebende Gruppierung eine malerische und ansprechende Wirkung.
Die Architekten sind mit der Ausarbeitung des ausführlichen Entwurfs und späteren Bauausführung betraut worden. Es ist vorauszusehen, daß sie ein Werk schaffen werden, das dem Nutznießer sowohl in künstlerischer wie in wohnlicher Hinsicht zur großen Freude gereichen wird.
E-n.
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