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[ U-Bahn-Archiv / U-Bahn-Geschichte(n) / Biographien / Alfred Grenander]

Robert Breuer: Alfred Grenander

Moderne Bauformen, 12. Jahrgang, Heft 6 (Juni 1913), S. 273-295, Tafeln 47-50



Architekten von der Art des Alfred Grenander tun uns not. Fachmänner, in ihrem Handwerk gründlich erfahren, Schüler und Helfer anerkannter Meister, mit Bewußtsein der Kontinuität der Stilentwicklung sich eingliedernd, und so, selbständig geworden, als wahrhaft Produktive ein charaktervolles Werk verrichtend. Sie sind nicht genial, aber sie sind tüchtig. Sie stürmen nicht als Revolutionäre; aber sie bauen als treue Diener einer sich klärenden Kultur. Sie tragen Tradition und fühlen sich durchaus als Verwalter eines Erbes an Formen und Absichten. Sie wollen aber nichts weniger, als akademisch das Uebernommene erhalten und in Regeln pressen. Sie empfinden mit der eigenen, der neuen Zeit, und, wenn sie auch stets darauf aus sind, nach rückwärts einen Anschluß zu finden, so drängt es sie doch, durch alles, was sie erstellen, ihrer Persönlichkeit Ausdruck zu geben. Sie sind nicht Eklektiker, sondern Organisatoren des Vorgefundenen; sie wissen, daß Fortschritt in der Architektur weniger durch ein Erfinden neuer Elemente kommt, als dadurch, daß die bewährten Glieder von neuem Geist beseelt und von jungem Temprament nach einem bisher unbekannten Rhythmus geordnet werden.

Grenander kommt von Messel und Wallot. Er hat mit Messel an einem Gebäude der Schöneberger Gasanstalt gearbeitet; das war in der frühesten Zeit des Wertheimbauers. Dann trat er in das Baubureau des Reichstages und blieb an diesem Platz auch dann noch, als Wallot längst nach Dresden geflüchtet war. Diese Jahre haben sich in Grenanders Leben fest eingesponnen; die unerbittliche Selbstzucht, die Wallot nicht ruhen ließ, bevor der gestellten Aufgabe die endgültige Lösung gefunden war (man denke an die Geschichte der Kuppel), hat in Grenander der einen Nachfolgenden gefunden. An jedem seiner Werke sieht man das Abwägen und das Prüfen, dies treue Erfüllen der architektonischen Grammatik. Von Wallot her mag Grenander auch die Tendenz zum Monumentalen, zum Wirksammachen der Massen, in sich tragen. Eine Tendenz, die seltsam kollidiert mit einem anderen Instinkt, der dem Schweden, dem Sohn eines Landes der Holzarchitektur, eingeboren scheint: dem Instinkt zum Ingenieurhafen. Dierser Widerspruch zwischen der Neigung, die Flächen sich mächtig entfalten zu lassen, und der anderen, das Konstruktionsgerüst auf ein Minimum zu beschränken und zugleich das Architektonische an einer Klärung der Kurven für Druck und Zug sich erschöpfen zu machen, gibt einzelnen Arbeiten des Grenander, besonders seinen Eisenkonstruktionen und seinen Möbeln, eine interessante Pikanterie. Man hat zuweilen den Eindruck als kämpfe ein asketischer Intellekt mit der Behäbigkeit des Fleisches. Man kann solchen Eindruck sogar an ein und demselben Objekt erleben. Zum Exempel: das Haus Herpich; an dem Körper bewährt sich der Trieb zur horizontalen Ausbreitung und zum massiven Aufbau, als Gegenthema aber spielt die Feingliedrigkeit der Gitter, wie sie an der Brüstung an den Treppen und Balkonen und als Schutz vor den Fenstern stehen.

Durch seine Begabung für die flektierende Linie, wie sie zum Wesen der Eisenkonstruktion gehört, ist Grenander zuerst bekannt geworden. Nebeneinander sah man seine Möbel, in Holz geschweift, das Gefühl elastischer Präzision erwirkend, und die mannigfachen Formen, duch die er Bauten und später auch die Wagen der Berliner Hoch- und Untergrundbahn aus dem Notwendigen in das Rhythmische steigerte. Dabei ist er mehr und mehr zur Reife gekommen; wenn er anfangs das bewegliche Eisen mit kunstgewerblichem Eifer zu allerlei kurioser Gestalt antrieb, so wurde er mit den Jahren formend immer ruhiger, ohne dabei zu verarmen. Im Gegenteil, es gelang ihm zunehmend, für das Funktionelle der Träger und Binder, für das Gestänge in den Wagen, für die Handgriffe, für alle metallenen Teile, aber auch für das Wagengehäuse eine spürbar letzte und wenn auch nicht ewig bleibende, so doch stetig mögliche Form zu finden. Es gehören schon heute seine Bahnhöfe, seine Kassahäuschen und seine Wagen zu dem Modernsten und Zeitfrischesten, was es in Berlin zu sehen gibt. Wenn erst die neue Serie der im Bau begriffenen Bahnhöfe fertig sein wird, dürfte Berlin durch solche Musterbeispiele der Ingenieurarchitektur die kläglichen Sentimentalitäten, mit denen einige Vororte Untergrundbahnhöfe als Burgen oder Strohdachhütten glaubten ausbilden zu müssen, einigermaßen beschämen. Als besonders glücklich muß an diesen Bahnhofsbauten des Grenander noch gelobt sein, der Zusammenklang, den der Architekt zwischen Eisen und Keramik fand, und den er mit Phantasie variierte.

Das innere Verständnis für das Metallische hilft, daß Grenander vortreffliche Beleuchtungskörper zu erfinden vermag. Einerlei, ob es sich dabei um eine schlichte Tischlampe, einen einfachen Pendel, oder um eine festliche Krone handelt, stets spürt man an diesen Gebilden die Griffigkeit (sei es für die Augen sei es für die Fingerspitzen), die allem metallenen Werke das Kühle, Reinliche, Distinguierte gibt. Das Metallische ist es auch, was heute noch Grenanders Möbel eine Sonderstellung einnehmen läßt. Sie haben, selbst wenn sie in den Motiven an spätes deutsches Empire erinnern, eine geschmiedete Geschmeidigkeit, etwas Federndes, einen rechnerisch erfühlten Linienfluß. Durch den Kontur wirken diese Möbel einen stählernen Klang.

Mit besonderem Erfolg hat Grenander Landhäuser gebaut, grössere Typen des Einfamilienhauses. Er hat dadurch erheblich zur architektonischen Gesittung der Groß-Berlinischen Umgegend beigetragen. Wer die sogenannte Grunewaldmauermeisterei kennt, weiß, was das bedeutet. Die Wenigen, die gegen das Meer der Unzulänglichkeit den Kampf der Tat führen, können nie genug gerühmt werden: Muthesius, Paul, Riemerschmied, Taut, William, Müller†, Baumgarten. Zu ihnen gehört Grenander. Man kann ein ebenso schreckliches wie erfreuliches Erlebnis sich bereiten, wenn man, vom Wannsee kommend, mit dem Dampfer über den Stolpersee, den Griebnitzsee gen Potsdam fährt. Die Ufer sind, was die Architektur betrifft, von geradezu verhängnisvoller Trostlosigkeit. Es wohnen da reiche Leute; sie nutzen ihr Geld, um die lächerlichsten Ungetüme, wahre Horden von Scheußlichkeit, aufzupflanzen. Wer das beschreiben wollte, müsste ein Lexikon des Komischen verbrauchen. Und da hinein nun stellte Grenander das Haus Herpich, den einzig anständigen Bau auf Kilometer. Merkwürdige Stadt dieses Berlin. Wie wenige von denen, die hier täglich vorüberziehen, mögen wohl empfinden, daß das schlichte, breitgelagerte, von seinen Dächern sicher geborgene, mit Landschaftsgefühl in das Grün der alten Bäume gesetzte Haus zugleich eine Anklage und eine Pädagogik leistet. Die spätere Generation, die unser Richter sein wird, dürfte, was diese Dinge betrifft, mancherlei zu lachen und zu strafen haben. Sie wird Grenander unter den Vorbildern und den Charaktervollen nennen. Er baut mit ruhiger Sachlichkeit nach den Wünschen der Besteller; er paßt sich dabei mit gesundem Naturempfinden, mit dem Respekt eines Mannes, der in der Freiheit der Felsen und Fjorde aufwuchs, an das Terrain, er schont die Bäume und nutzt die Unterschiede des Niveaus. Das zeigt ganz ausgezeichnet das Haus Bousset, das er an dem hochgelegenen Ufer des Nikolassees anlegte. Mit großem Geschick hat er hier durch eine Terrassenführung den Hauptkörper gehoben und so besser als durch tausend Türmchen weithin wirkend gemacht.

Bei der Innenausstattung läßt Grenander der Farbenfreudigkeit, die er aus der Landluft seiner Heimat mitbekam, freien, wenn auch gebändigten Lauf. Er liebt die Helle, und scheut nicht vor Rosa und Himmelblau; verfällt dabei aber nie ins Süße, sondern wahrt stets eine sympathische Herbe. Auch wenn er pathetisch wird, wie bei der Anlage eines Festsaales für das Mindener Kasino, bleibt er ruhig, wie sich das für einen Menschen gehört, der im Architektonischen das Ingenieurhafte als ein Entscheidendes erkannte.

Es ist gut zu verstehen, daß ein Praktiker von Grenanders Art zugleich ein erfolgreicher Lehrer ist. Grenander hat die Architekturklasse an der Berliner Kunstgewerbeschule inne. Ein verantwortungsvolles Amt, dessen Bedeutung doppelt erkennt, wer weiß, wie gering oft die künstlerische Erziehung an den eigentlichen Erziehungsstätten des architektonischen Nachwuchses, an den Polytechniken vor allem, zu werten ist. Ist es doch leider so, daß die Kunstgewerbeschulen und ihre Lehrer beinahe im Gegensatz zu jenen anderen Anstalten ihre Schüler mit den Problemen der modernen Kunst vertraut machen müssen. Kommt doch daher das Mißtrauen, das die Architektur-Akademien Leuten wie Paul oder Kreis oder auch Grenander entgegenbringen. Sie meinen, daß die Kunstgewerbeschule in einem gewissen Grade immer etwas Spielerisches, etwas Damenhaftes, behalte. Solche Verkennung wird glatt erledigt, wenn man zum Exempel anschaut, was aus den Schülern Grenanders geworden ist. Sie kamen zumeist gleich von der Schule weg in gute Stellungen und an beachtenswerte Aufgaben. Man braucht nur an Ernst Schneckenberg zu denken, um zu wissen, daß sie brauchbare Diener des Alltages wurden.

Alfred Grenander, Landhaus Grenander (Falsterbo, Schweden)
Landhaus in Falsterbo (Schweden), Eingang mit Wirtschaftsgebäude.

Alfred Grenander, Landhaus Skanör (Schweden)
Kleines Landhaus in Skanör (Schweden)

Alfred Grenander, Landhaus Paul Herpich (Potsdam-Neubabelsberg), Gartenansicht
Das Landhaus des Herrn Paul Herpich an der Bergbrücke bei Neubabelsberg-Berlin
Gartenansicht

Alfred Grenander, Landhaus Paul Herpich (Potsdam-Neubabelsberg, Lageplan und Grundriß)
Das Landhaus des Herrn Paul Herpich an der Bergbrücke bei Neubabelsberg-Berlin
Lageplan und Erdgeschoßgrundriß

Alfred Grenander, Landhaus Paul Herpich (Potsdam-Neubabelsberg), Straßenfassade Das Landhaus des Herrn Paul Herpich an der Bergbrücke bei Neubabelsberg-Berlin
Von der Straßenfassade

Alfred Grenander, Landhaus Paul Herpich (Potsdam-Neubabelsberg), Diele
Das Landhaus des Herrn Paul Herpich an der Bergbrücke bei Neubabelsberg-Berlin
Die Diele

Alfred Grenander, Landhaus Paul Herpich (Potsdam-Neubabelsberg), Gartenfassade
Das Landhaus des Herrn Paul Herpich an der Bergbrücke bei Neubabelsberg-Berlin
Von der Gartenfassade

Alfred Grenander, Haus Dr. von Eichborn (Breslau) Das Haus des Herrn Dr. von Eichborn in Breslau, Eichendorffstraße

Alfred Grenander, Haus Dr. von Eichborn (Breslau)
Das Haus des Herrn Dr. von Eichborn in Breslau, Eichendorffstraße

Alfred Grenander, Landhaus Johannes Bousset (Berlin-Nikolassee), Gartenfassade Das Landhaus des Herrn J. Bousset in Nikolassee bei Berlin, Libellenstraße 15
Blick von der Terrasse auf die Gartenfassade

Alfred Grenander, Landhaus Johannes Bousset (Berlin-Nikolassee), Hof
Das Haus Bousset in Nikolassee bei Berlin
Blick aus dem Garten in den Hof

Alfred Grenander, Landhaus Johannes Bousset (Berlin-Nikolassee), Lageplan
Das Landhaus des Herrn J. Bousset in Nikolassee bei Berlin
Lageplan

Alfred Grenander, Landhaus Dr. Waldschmidt (Berlin-Grunewald), Lageplan und Grundrisse
Das Landhaus des Herrn Dr. Waldschmidt in Grunewald bei Berlin
Lageplan und Grundrisse

Alfred Grenander, Landhaus Dr. Waldschmidt (Berlin-Grunewald)
Das Landhaus des Herrn Dr. Waldschmidt in Grunewald bei Berlin, Hertzstraße

Alfred Grenander, U-Bahnhof Kaiserhof, Eingang
Hoch- und Untergrundbahn in Berlin
Der Eingang zum Bahnhof Kaiserhof

Alfred Grenander, Gotzkowskybrücke Von der Gotzkowsky-Brücke in Berlin

Alfred Grenander, U-Bahnhof Hausvogteiplatz Hoch- und Untergrundbahn in Berlin
Der Eingang am Hausvogteiplatz

Alfred Grenander, Offizierskasino Minden, Festsaal Das Offizierskasino in Minden i. W.
Der große Festsaal

Alfred Grenander, Offizierskasino Minden, Festsaal
Das Offizierskasino des Infanterie-Regiments Prinz-Friedrich der Niederlande in Minden i. W.
Der große Festsaal

Alfred Grenander, Offizierskasino Minden, Spielzimmer
Das Offizierskasino in Minden i. W.
Das Spielzimmer

Alfred Grenander, Offizierskasino Minden, Lese- und Billardzimmer
Das Offizierskasino in Minden i. W.
Das Lese- und Billardzimmer

Alfred Grenander, Offizierskasino Minden, Lesezimmer Das Offiziers-Kasino in Minden i. W.
Das Lesezimmer

Alfred Grenander, Offizierskasino Minden, Diele Das Offiziers-Kasino in Minden i. W.
Der Kamin in der Diele mit Kadiener Fliesen

Alfred Grenander, Offizierskasino Minden, Diele
Das Offizierskasino des Infanterie-Regiments Prinz-Friedrich der Niederlande in Minden i. W.
Die Diele

Alfred Grenander, Wintergarten Frau Konsul Staudt (Heringsdorf)
Wintergarten für Frau Konsul Staudt in Heringsdorf

Alfred Grenander, Inneneinrichtung Dr. J. Guthmann (Berlin-Kladow), Wohnzimmer
Das Wohnzimmer im Hause des Herrn Dr. J. Guthmann zu Neu-Cladow bei Berlin

Alfred Grenander, Inneneinrichtung Dr. J. Guthmann (Berlin-Kladow), Wohnzimmer Aus dem Wohnzimmer im Hause des Herrn Dr. J. Guthmann zu Neu-Cladow

Alfred Grenander, Inneneinrichtung Dr. J. Guthmann (Berlin-Kladow), Gastzimmer Aus dem Hause des Herrn Dr. J. Guthmann zu Neu-Cladow
Aus dem Gastzimmer

Alfred Grenander, Inneneinrichtung Dr. J. Guthmann (Berlin-Kladow), Wohnzimmer Aus dem Hause des Herrn Dr. J. Guthmann zu Neu-Cladow
Aus dem Wohnzimmer

Alfred Grenander, Inneneinrichtung Dr. J. Guthmann (Berlin-Kladow), Gastzimmer Gastzimmer im Hause des Herrn Dr. J. Guthmann zu Neu-Caldow bei Berlin

Alfred Grenander, Inneneinrichtung Dr. J. Guthmann (Berlin-Kladow), Gastzimmer
Gastzimmer im Hause des Herrn Dr. J. Guthmann zu Neu-Cladow

Alfred Grenander, Inneneinrichtung Dr. Sievers (Berlin), Wohnzimmer Aus dem Wohnzimmer im Hause des Herrn Dr. Sievers zu Berlin, Emserstraße

Alfred Grenander,Inneneinrichtung Dr. J. Zimmermann (Berlin), Schlafzimmer
Schlafzimmer in der Wohnung des Herrn Dr. J. Zimmermann zu Berlin, Matthäikirchstraße

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